Homer, Odyssee
Herausgegeben von Marion Giebel
Reclams Universal-Bibliothek Band Nr. 18298

Taschenbuch, 112 Seiten für 3,- €, ISBN 978-3-15-018298-7

zahlreiche E-Books zwischen 0,49 € und 4,99 € über die Website des Buchhändlers

Die Odyssee des Homer
Bayerischer Rundfunk 2
Podcast www.br.de/mediathek/podcast/die-odyssee-des-homer-das-hoerspiel/818

Im Kielwasser von Odysseus
Sylvain Tesson, ARTE Reisebericht
www.arte.tv/de/videos/RC-019267/im-kielwasser-des-odysseus/

Das Frühjahr 2020 erlaubt wohl keine Reisen mehr auf eigenem Kiel; nur in unserer Phantasie werden sie möglich. Eigentlich schlimm, doch gibt uns diese Verbannung in die eigenen vier Wände so viel Zeit sogar ein ganzes Epos wie die Odyssee zu lesen oder aber anzuhören. 
Es beschreibt eine Seereise, die zwar Ausgangs- und Zielhafen kennt – nämlich nach Kriegsende von Troja endlich nach Hause -, die aber keine vom Schiffsführer bestimmte Route haben wird. So unberechenbar wie das Schicksal, personifiziert in den olympischen Göttern, wird ihr Kurs werden. Zehn Jahre lang treibt es die archaischen Krieger über das Mittelmeer: die Reise wird zur sprichwörtlichen Odyssee. Anfangs kommandiert Odysseus noch eine ganze Flotte, doch am Ende der Irrfahrt hat er alle Crews und Schiffe verloren. Das happy end, zurück in Ithaka bei Frau und Sohn, verdankt er dem Mitleid der Götter und seiner Zähigkeit, niemals aufzugeben. 
Die Story scheint bekannt, doch hat sie Homer zu einem solchen Komplex verdichtet, dass sich bei wiederholtem Lesen stets Neues offenbart. Wer selbst auf dem Wasser unterwegs ist, den wird an erster Stelle der maritime Erzählstrang faszinieren. Die Seefahrt ist für dieses Epos ebenso von Bedeutung wie für die mediterrane Kultur der Antike. Sie ist verteilt auf drei Kontinente: Europa, Asien und Afrika und braucht die Seefahrt wie ein Organismus Arterien und Venen. Diese aktive Seefahrt brachte mit den Waren auch Seemansgarn, märchenhaft ausgeschmückte Berichte und Erzählungen in die Häfen. Homer nutzte diesen Stoff als Bühne des schicksalhaften Geschehens, das er zu seinem Epos verdichtete. Erzähler und Sänger – Aoiden und Rhapsoden nannte man sie – verbreiteten das Epos mündlich, sie trugen es an Herrscherhöfen, abendlichen Herdfeuern oder öffentlichen Festen vor. Aufgeschrieben und als Lektüre verbreitet wurde die Odyssee erst später, dafür aber schon in antiker Zeit mit besonderer Akribie. 
Sie zu lesen ist für uns heute die gewohnte Rezeption; archaische Sprachbilder, die uns  kaum mehr vertrauten Rollen damaliger Götter oder ungewohnte Begriffe antiker Nautik lasen sich leichter erschließen, kann man einen Absatz – möglicherweise nach erhellendem Blick ins Lexikon oder auf eine Fußnote - noch einmal lesen. Das geht allerdings nur mit der Odyssee in Buchform, gedruckt oder digital. Sie gibt es in zahllosen Ausgaben, eingangs ist stellvertretend für alle diejenige in Reclams Universal-Bibliothek angegeben. E-Books findet der Leser über die Website seines Buchhändlers in ebenso großer Zahl. 
Im mündlichen Vortrag lässt sich hingegen noch am ehesten nachempfinden, wie dieses Epos die antiken Menschen erreichte und bewegte. Die oben genannte Hörbuch-Version, als Podcast des Bayerische Rundfunks, verzichtet zwar auf das antike Versmaß Hexameter, doch bleibt der Text rhythmisiert. Die Übertragung ins Deutsche ist etwas näher an die heute übliche Sprache gerückt, was nicht abwegig ist, denn auch der Vortrag in der Antike sollte von jedermann verstanden werden.  
Für seine Schilderungen griff Homer mit Gewissheit auf Seemannsgarn und märchenhaften Berichte antiker Fahrensleute zurück. Insofern ist es naheliegend zu fragen, welche realen topographischen Orte sich hinter den Orten des Geschehens im Epos verbergen. Und genauso naheliegend ist die Frage jedes Mittelmeer-Skippers, ob er auf seinen Reisen nicht schon einmal die Kurslinie von Odysseus kreuzte. 
In seinem Dokumentarfilm steuert deshalb der französische Reiseautor Silvain Tesson mit einer Segeljacht genau die Orte an, die im allgemeinen für Schauplätze der Odyssee gehalten werden. Die Zuschauer hören vom  jeweiligen Abenteuer, der Autor trifft sich mit ortskundigen Experten zum Landgang und bringt von dort außergewöhnliche Bilder mit. Zu sehen sind die insgesamt fünf Folgen – wie eingangs angegeben - in der Mediathek von ARTE. Gewiss kein Ersatz für den realen Törn mit eigenem Schiff oder der DYC-Jacht Pilgrim, aber ein Appetitanreger dafür. Befahrenen  Mittelmeer-Seglern rufen diese Filme bestimmt vergangene, eigenen Fahrten im Kielwasser von Odysseus in Erinnerung. 
Ein Törn mit der Clubjacht Pilgrim ermöglicht, egal wo er im Mittelmeer startet, auf den Spuren des Odysseus zu segeln. Im Vorstehenden werden Crews, die einen solchen Törn planen, ausgezeichnete Anregungen finden – auch für solche, die deutlich weniger als zehn Jahre dauern sollen.